Redaktion: Das Theater im Kies geht in die nächste Runde! „Die Korrektur eines Tunichtguts“ wurde letztes Jahr zu einem Erfolgsschlager, die Karten waren in kürzester Zeit ausverkauft. Was können wir uns bei der Wiederaufnahme des Stücks von einem „verirrten Tunichtgut“ erwarten?
Heidi Salmhofer: Da es sich um eine Wiederaufnahme handelt, bleibt die Geschichte natürlich dieselbe. Durch die drei neuen Darsteller bekommt sie jedoch neuen Input. Der Rhein wird nun beispielsweise von Zeno Langenbahn aus Liechtenstein verkörpert. Er hat eine eigene Interpretation des Spielens und verleiht der Figur dadurch ganz neue Züge. Solche Entwicklungen zu sehen, ist auch für mich als Regisseurin immer sehr spannend. Außerdem merkt man jetzt schon in der Probenarbeit, dass sich auch die anderen Rollen mehr vertiefen und sich dadurch eine ganz neue Spielfreude entwickelt.
Redaktion: Gab es besondere Herausforderungen oder Hürden, die gemeistert werden mussten?
Heidi Salmhofer: Wir sind ein wirklich tolles Team und eine seit letztem Jahr sehr eingespielte Truppe, die auch unsere „Neuankömmlinge“ sofort in ihre Mitte aufgenommen hat. Für mich ist eines der wichtigsten Elemente beim Theaterspielen, sich in der Gruppe wohlzufühlen. Auf der Bühne zu stehen bedeutet nämlich immer auch, sich auf alle seine Kollegen verlassen zu können und sich gleichzeitig zu öffnen – oder einen Teil seines Inneren preiszugeben. Wenn es also eine Herausforderung gab, dann nur die, unsere neuen Darsteller zu integrieren. Das ging jedoch so reibungslos, dass man es kaum als solche bezeichnen kann.
Doch: Stimmt nicht ganz, eine Herausforderung gibt es immer noch zu bewältigen. Zwischen den Badegästen am Kies zu proben kann schon schwierig werden. Viele Menschen sind wirklich verständnisvoll und interessiert, was toll ist. Es gibt jedoch immer wieder einige wenige, die sich aus Protest mitten ins Spielgeschehen setzen, um sich zu sonnen. Da braucht es dann gutes, diplomatisches Feingefühl.
Redaktion: Welche Botschaft soll dem Publikum durch das Stück vermittelt werden?
Heidi Salmhofer: Das Stück hat keine klassische Botschaft im herkömmlichen Sinne. Es ist eher eine Reise durch die Geschichte mit manchmal humoristischen Aspekten, aber nicht nur. Ich bin davon überzeugt, dass wir aus den Erfahrungen unserer Großeltern und Vorfahren lernen können, wenn wir uns mit ihrer Geschichte auseinandersetzen. Das ist sicher die indirekte Botschaft des Stücks: sich dafür zu interessieren, was früher passiert ist und warum – sowohl das Gute als auch das Schlechte. Ersteres sollten wir verfeinern und letzteres nicht mehr vorkommen lassen. Außerdem ist der Blick auf die Vergangenheit immer auch eine Hommage an jene Menschen, die so viel geleistet haben, dass wir nun in einer Gesellschaft leben können, der es ausgesprochen gut geht.
Redaktion: Es braucht einiges an Zeit, ein Stück zu konstruieren. Was ist Ihre Inspirationsquelle bzw. gibt es Orte, an denen Sie gerne neue Ideen sammeln?
Heidi Salmhofer: Einerseits bin ich gerne in der Natur – der Rhein ist tatsächlich einer meiner Kraftorte. Aber viele Ideen kommen mir – wie soll ich das am besten formulieren, ohne dass es komisch klingt – des Nachts, im Bett. Oft schrecke ich hoch und wundere mich selbst, woher ein bestimmter Gedanke gerade kommt. Dann schreibe ich ihn schnell auf und lege mich wieder schlafen. Ich glaube, die Nacht, der Traum oder dieser Zustand kurz vor dem Einschlafen, lässt mein Gehirn sich ganz öffnen und ist viel empfänglicher für Ideen. Zusammengefasst: Das Grundkonzept einer Geschichte gibt mir die Natur, tagsüber kommt die Verfeinerung, und die Würze liefert mir die Nacht und mein Bett. Und dann gibt es natürlich, gerade wenn es um Historisches geht, Bücher!
Redaktion: Was macht „Theater im Kies“ für Sie einzigartig?
Heidi Salmhofer: Das kann ich ganz schnell beantworten: der Ort und die Menschen! In einem Team aus tatsächlich drei Nationen – mit zwar derselben Sprache, aber so vielen verschiedenen Dialekten zu arbeiten, hat unglaublich viel Charme. Es ist großartig.
Redaktion: Warum sollte man „Theater im Kies“ besuchen?
Heidi Salmhofer: Auch das geht ganz schnell und mit tiefer Überzeugung: Wegen der Menschen, die hier auf der Bühne ihr Bestes geben und deren Charme und Leidenschaft unwillkürlich das Herz berühren. Wegen des Ortes, den man einfach erlebt haben muss: Sonnenuntergänge, Schwäne, Schilf, Vogelgezwitscher und Krötenquaken – ein Schauspiel für sich. Und wegen des historischen Überblicks. Es ist für uns so selbstverständlich, inzwischen unbekümmert am Rande des Rheins zu leben, dass es gut tut, sich vor Augen zu führen, wie der Weg zu dieser Unbekümmertheit gegangen wurde.